PELLE KEHRT HEIM

was vorher geschah …

Die Fahrt zur Rabenklippe

Es ist empfindlich kalt geworden. Als Anatol, Elie, Mina und ich das Haus im Morgengrauen verlassen, weht uns ein eisiger Wind entgegen. Anatol zieht sich den Kapuzenschal tief ins Gesicht. Beklommen sieht er mich an. Auch mir ist nicht wirklich wohl zumute. Tun wir gerade das Richtige? Aber es ist zu spät für derlei Überlegungen: Pelle wartet am Treffpunkt auf uns.

Im Auto ist es so kalt, dass man seinen Atem sehen kann. Das Lenkrad ist eisig – ich behalte meine Handschuhe an. Neben mir auf dem Beifahrersitz haben sich Anatol, Elie und Mina dicht aneinander gekuschelt – vor Kälte zitternd drücken sie sich gegeneinander.

Endlich springt der Motor an. Wir haben eine lange Reise vor uns.

Unsere erste Etappe ist die Tankstelle in Kehl. Hier tanken wir das Auto auf, prüfen den Reifendruck, säubern die Windschutzscheibe und kaufen eine Packung Kaugummi. Kaugummi ist ein wichtiger Proviant und darf auf keiner Reise fehlen.

Dann starten wir in Richtung Hainberg. Unser Auto – ein Kleintransporter – fühlt sich bis Tempo 90 wohl – fahren wir schneller, beginnt das Fahrzeug klagende Laute auszustoßen und sich zu schütteln. Daher zockeln wir mit 90 Stundenkilometern auf der Kriechspur gen Norden.

Als wir Frankfurt erreichen, ist es schon Nachmittag. Ich bin so müde, dass ich einen Rastplatz ansteuere. Ich verriegle das Auto von innen und setze mich auf den Beifahrersitz, dessen Lehne ich so weit wie möglich herunterschraube. Dann weise die Butler an, mich nicht zu stören – und schlafe augenblicklich ein.

Als ich erwache, ist alles um mich herum dunkel. Wie lange muss ich geschlafen haben? Ich reibe mir die Augen. Dann merke ich, dass wir nicht mehr auf dem Rastplatz stehen, sondern dass das Auto offenbar fährt – und zwar gelenkt von Mina! Entsetzt schüttle ich mich – ich muss noch schlafen und dies alles träumen! Aber nein: Mina sitzt tatsächlich am Lenkrad: wir fahren!

Wo sind die Butler? Ich werfe einen bangen Blick nach links – da sitzen sie: Elie im Fußraum an Gaspedal, Bremse und Kupplung, Anatol am Schaltknüppel! Ich will gerade vor Schreck laut aufschreien, da befiehlt Mina mit ruhiger Stimme: „Bitte hochschalten in den 5. Gang. Dann beschleunigen auf 90 km/h. Geschwindigkeit beibehalten. Wir erfahren zur Zeit keine Turbulenzen. Danke!“

Fassungslos sehe ich Elie mit aller Kraft seinen Gipsarm auf das Kupplungspedal drücken, während Anatol den Schaltknüppel in die Position „5. Gang“ bringt. Dann lässt Elie das Pedal behutsam zurückkommen und drückt gleichzeitig aufs Gaspedal. Als die 90 Stundenkilometer auf dem Tacho erreicht sind, meldet Mina „Wir haben unsere Höchstreisegeschwindigkeit erreicht. Bitte so beibehalten. Ende der Durchsage. Danke!“

Ich ergebe mich meinem Schicksal, schließe die Augen und stelle mich schlafend. Das offenbar eingespielte Pilotenteam möchte ich auf keinen Fall durcheinanderbringen. Wo haben die Biester das Autofahren gelernt? Ich nehme mir vor, nach dieser Reise genauere Nachforschungen anzustellen.

Wir befinden uns noch auf der Autobahn – das stelle ich beim vorsichtigen Blinzeln fest. Da stockfinstere Nacht ist, scheint den uns überholenden Fahrern nicht aufzufallen, dass eine winzige Stoffkuh unser Auto lenkt. Vielleicht denken die anderen Autofahrer aber auch, der Lieferwagen sei eine englische Konstruktion – mit dem Steuerrad auf der rechten Seite.

Wie spät mag es sein? Ich schiele hinüber auf das Armaturenbrett: 21 Uhr 50 – bald zehn Uhr. Wie kann ich so lange geschlafen haben? Ich muss vollkommen übermüdet gewesen sein. Bald nicke ich wieder ein. Das Auto scheint in guten Händen…

Gegen Mitternacht reisst mich eine erneute Meldung von Mina aus dem Schlaf. „Wir nähern uns nun dem Hainberg. Links befinden sich die Schillerwiesen. Ich erbitte Lotsenweisung!“

Ich entschließe mich, so zu tun, als sei nichts normaler, als von einer schwarz-weissen Stoffkuh und zwei Plüschdinosauriern nachts durch die Gegend kutschiert zu werden und bemerke „Bitte gleich links in die Calsowstraße einbiegen. Dann scharf rechts, und dann geradeaus – bis zur Langen Nacht.“

Kurze Zeit später sind wir dort. Die Lange Nacht ist indessen – wie ihr Name bereits vermuten lässt – lang. Auf welcher Höhe wartet Pelle auf uns? Wir sehen uns unschlüssig an.

Anatol meint, wir sollten das Auto am Wegrand abstellen und aussteigen. Bestimmt würde uns Pelle als echter Luchs sofort wittern. Mina möchte nun lieber in meinen Rucksack klettern, ebenso Elie und sogar Anatol. Sicher ist sicher.

Wir verlassen das Auto. Kühle, feuchte Waldluft, die wir durstig einatmen, weht uns entgegen. Wir entscheiden uns, den Waldweg zu nehmen und tiefer in den Wald vorzudringen. Pelle kann nicht weit sein.

Der Wald schläft nie. Nachts erwacht ein unbekanntes Leben – mit all seinen Geräuschen und  Regungen… Ein Käuzchen ruft – ein zweites anwortet. Der klagende Laut lässt uns erschauern. Da – ein Rascheln neben uns… dann knackt etwas. Tief im Wald ertönt das Kreischen von Nachttieren.

Ein raues, heiseres Flüstern ertönt. „Ich bin hier. Ich – Pelle!“ Aus dem Dunkel des Waldes löst sich ein riesiger Schatten und kommt näher.

Pelle steht vor uns – und erscheint mir größer denn je. Ob es die späte Stunde, der lange Weg und nun die Nachtwanderung durch den verwilderten Hainberg ist – ich weiss es nicht: das Herz rutscht mir tief in die Hose, als ich den riesigen Luchs so nah vor mir sehe. Die Saurier und Mina im Rucksack schlottern vor Angst, das spüre ich deutlich sogar durch meinen dicken Wintermantel hindurch.

Mit zitternder Stimme sage ich „Guten Abend Pelle! Wir sind endlich da… möchtest Du wirklich mit uns mitkommen…?

Gefasst nickt der Luchs. „Ich danke Euch, dass Ihr gekommen seid. Ihr seid meine einzigen, echten Freunde. Danke.“

Ich schäme mich zutiefst, dass ich immer noch Angst vor Pelle habe. Aber mit seiner Rumpfhöhe von 70 cm ist der Luchs ein sehr eindrucksvolles Tier.

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Anatol fasst sich ein Herz und hüpt aus dem Rucksack heraus. „Pelle, es ist toll, dass Du da bist! Komm mit – da vorn steht das Auto. Wir haben Dir ein richtig schönes, weiches Bettchen vorbereitet!“

Unschlüssig sieht Pelle uns an. „Ein Bettchen…? Ich weiss nicht genau, was das ist?“

„Das macht nichts, dass Du das nicht weisst. Aber es gefällt Dir bestimmt!“ piepst Mina mutig aus dem Rucksack heraus.

Pelle nickt. „Sicher werde ich es mögen. Wenn Ihr es mir doch zurechtgemacht habt!“

Der Luchs folgt uns bis zum Auto, und ohne sich noch ein einziges Mal umzusehen, steigt er in den Fond. Er spürt die weiche Decke unter seinen Pranken und brummt zufrieden „Und ob mir das gefällt!“

Dann rollt er sich auf dem improvisierten Luchs-Bettchen zusammen, schließt die Augen und flüstert „Ihr könnt losfahren.“

Ich setze mich ans Steuer und bin froh, die Macht über das Fahrzeug wieder zurückgewonnen zu haben. Eine Polizeikontrolle mit Mina am Steuer und Anatol sowie Elie an Kupplung und Gangschaltung – nein, das mag ich mir nicht vorstellen. Zumal im Fond nun der brav schnarchende Luchs liegt.

Unser Weg führt uns über Northeim, Seesen und Goslar bis nach Bad Harzburg. Dort steuern wir die Rabenklippe am Luchsgehege an. Als ich Anatol anweise, mir den genauen Weg auf der Karte herauszusuchen, hebt Pelle den Kopf und spitzt die Pinselohren. Unruhig rutscht er auf seinem Kissen hin und her.

Gehege sagst Du…? Davon war bisher nicht die Rede. Ich lasse mich nicht in einen Käfig sperren!“

Der Luchs fährt die riesigen Krallen aus und schlägt sie in den Gummibelag des Fonds. Dann lässt er ein leises, aber deutlich zu vernehmendes Knurren hören.

Etwas zittrig erläutert Elie, dass es sich bei dem „Gehege“ nicht um einen Käfig handele. Es sei vielmehr der Teil des Luchsprojekts, an dem Besucher manche Luchse bei der Fütterung beobachten könnten – wenn die Luchse sich denn zeigen wollten. Wir steuerten diesen Teil des Nationalparks an, weil sicher sei, dass Pelle dort zu fressen finden würde.

Lautlos zieht der Luchs seine Krallen aus der Verkleidung. Das Knurren verstummt. „Bitte entschuldigt, meine Freunde. Ich bin sehr aufgeregt, und weiss nicht, wie mein neues Leben aussehen wird. Deshalb reagiere ich ungehalten, wenn ich etwas nicht richtig einordnen kann. Ich bitte Euch, mir das nachzusehen.“

Anatol nickt dem Luchs zu. „Ich kann Dich verstehen, Pelle. Aber ich bin sicher, dass es Dir dort gefallen wird.“

Sind wir wirklich sicher? Ich selbst habe alles andere als Gewissheit über die Zukunft von Pelle. Ich verscheuche die Zweifel. Erste Schilder weisen auf das Luchsgehege hin – und auf den Gasthof Rabenklippe, der allerdings jetzt (es ist mittlerweile 3 Uhr früh) noch nicht geöffnet ist.

Mir fallen die Augen zu, als ich einen etwas versteckten Rastplatz kurz vor der Rabenklippe ansteuere. Hier möchte ich, bevor wir Pelle in die Freiheit entlassen, noch kurz ausruhen. Ich parke den Wagen an einer wenig einsehbaren Stelle, schalte den Motor und das Licht aus und lehne mich zurück. „Wir fahren bald weiter“, sage ich und schließe die Augen.

Ein nachdrückliches Klopfen ans Fenster lässt mich aufschrecken. Neben dem Auto steht jemand und bedeutet mir, das Fenster zu öffnen. Mein Herz setzt einen Moment aus.

Bei der Dame an der Fahrertür handelt es sich um eine Streifenpolizistin. Der Streifenwagen parkt hinter uns, ein Kollege steht einsatzbereit daneben. Wie erkläre ich den Ordnungshütern, was ich mit einem ausgewachsenen Luchs im Fond mitten in der Nacht auf diesem Parkplatz will?

Langsam kurbele ich das Fenster herunter. Währenddessen bemerke ich, dass die Saurier und Mina flugs nach hinten den Fond klettern. Mina zischelt Elie zu „Die Ohren! Hol die Häkelohren aus dem Rucksack!“

Die Polizistin bittet mich höflich, aber bestimmt um die Fahrzeugpapiere. Ich krame nervös im Handschuhfach und präsentiere einen Haufen eselsohriger Dokumente. Ängstlich erkläre ich, dass es sich um ein Mietauto handele, weshalb ich auch nicht im Fahrzeugschein genannt sei.

„So so, ein Mietauto. Ihren Ausweis und Führerschein, bitte.“

Eilig erkläre ich, dass ich als im Ausland wohnhafte Deutsche keinen Personalausweis, wohl aber einen gültigen Reisepass besäße. Mit zitternden Händen strecke ich der Polizistin alles entgegen. Sie studiert jedes Papier genauestens, dann gibt sie mir die Dokumente zurück.

„Darf ich fragen, was Sie um diese Uhrzeit hier tun?“

Was tut jemand wie ich um 3 Uhr morgens auf einem verlassenen Rastplatz am Harz? Ich stottere… dass wir die ganze Nacht durchgefahren seien, um ganz früh morgens – im Morgengrauen sozusagen! – das Luchsgehege zu besuchen, und ich nun noch etwas Schlaf habe finden wollen, bevor es  auf die Wanderung am Luchsgehege gehen solle…

Unsicher blicke ich in das Gesicht der Polizistin. Die Unwahrheit sage ich nicht, die ganze Wahrheit aber auch nicht. Glaubt mir die Gesetzeshüterin?

„Sie sagen ‚wir‚. Ist denn noch jemand mit Ihnen angereist?“

Siedend heiss fällt mir ein, dass die Saurier und Mina keine Mitreisenden sind, die ich der Polizistin vorstellen kann. Ich druckse unschlüssig herum – da wirft die Dame einen Blick in den Fond und erblickt das riesige Tier. Sie knipst ihre Taschenlampe an und leuchtet nach hinten ins Auto. Das ist das Ende, denke ich.

„Ist das Ihr Hund?“ fragt die Polizistin. „So ein großes Tier habe ich selten gesehen.“ Und etwas misstrauisch: „Was ist das denn für eine Rasse?“

Ich drehe mich um und sehe einen sich verzweifelt schlafend stellenden, zusammengerollten Eurasischen Luchs mit Häkelschlappohren.

Wenn man dies indessen nicht weiss, kann man Pelle mit seinen Hängeohren tatsächlich für einen Hund halten. Ich räuspere mich und sage mit belegter Stimme „Das ist Pelle – ein Hovawart-Malinois-Labrador-Mischling.“

Leise, aber mit Nachdruck füge ich hinzu: „Er ist sehr lieb, mag aber von Fremden ganz sicher nicht angefasst werden.“

„Hat Pelle denn auch Papiere dabei?“ fragt die Polizistin streng. „Sie wissen ja, dass das Vorschrift ist.“

„Ja“, lüge ich. „Pelle hat natürlich Papiere …“ Ostentativ beginne ich, in meinem Rucksack zu kramen, der auf dem Beifahrersitz liegt, während ich fieberhaft nach einer Ausrede suche. Selbstverständlich hat Pelle keine Papiere – woher auch.

Nun vernehme ich ein leises Raunen aus dem Fond. „Ich habe den EU-Ausweis von Edwige mitgenommen! Im Rucksack vorn!“ Mina ist einfach unbezahlbar.

„Da haben wir die Papiere – bitte schön!“ Triumphierend überreiche ich der Polizistin einen blauen EU-Heimtierausweis.

Stirnrunzelnd blättert die Beamte in dem Dokument. „So, Pelle heisst also Edwige, ist eine getigerte Hauskatze und wiegt 5 kg…?“

Sie gibt mir den Ausweis zurück und kratzt sich am Kopf. „Horst, nehmen wir den Hund in Gewahrsam? Es wird kein gültiger Ausweis mitgeführt.“

Horst tritt einen Schritt zurück. „Du kannst dieses Riesentier gern mitnehmen. Aber dann gehst Du mit ihm zu Fuß zur Wache. Du weisst doch, dass ich eine Hundephobie habe!“

Ich fange derweil das Bitten und Betteln an. „Ich muss mich vertan haben! Das ist der Impfpass meiner Katze Edwige. Man muss mir zu Hause den falschen Pass mitgegeben haben …“

Die Polizistin nimmt ihr Handy. Sie werde auf der Wache anrufen und um Verstärkung bitten. Nachdem sie die Nummer mehrfach eingegeben hat, ist klar, dass der Anruf nicht ankommen wird: wir haben kein Netz.

Der Streifenwagen verfügt hingegen über einen Fernsprecher. Diesen könnte – und müsste – sie nun von Rechts wegen betätigen, sagt die Polizistin uns. Seufzend fügt sie hinzu, sie wolle uns unseren Wochenendausflug aber nicht gänzlich verderben – und trägt uns auf, schnellstens einen gültigen Heimtierausweis für Pelle zu beschaffen, diesen immer mitzuführen und Pelle nur angeleint aus dem Auto zu lassen.

Dann steigt sie in den Streifenwagen, in den sich ihr hundephobischer Kollege bereits geflüchtet hatte, und fährt weg – während ich den Ordnungshütern unter Dankesrufen nachwinke.

Kaum sind die Polizisten außer Sichtweite, falle ich in mich zusammen. Anatol kriecht stöhnend unter dem Fahrersitz hervor. „Das war knapp!“ ächzt er.

Pelle reisst sich die Häkelohren vom Kopf und beginnt, sich im Fond um sich selbst zu drehen. „Ich will raus!“ ruft er. „Ich war noch nie so lange in einem so kleinen Raum. Lasst mich raus, schnell!“

Der Luchs scheint einen klaustrophobischen Anfall zu erleiden – ich springe aus dem Auto und öffne die Tür zum Fond. Mit einem riesigen Satz springt der Luchs aus dem Fahrzeug heraus und verschwindet im Wald.

Anatol, Elie und Mina stürzen aus dem Auto heraus – aber Pelle ist weg. Ich setze mich in den Schotter des Parkplatzes und verberge mein Gesicht in den Händen. Elie beginnt zu schluchzen, während Anatol und Mina hinter Pelle her in den Wald laufen.

Tief am Horizont leuchtet leise ein erster Morgenstrahl auf.

Ich verschließe das Auto, setze Elie in den Rucksack und dringe meinerseits in den tiefen Wald ein.

Kurze Zeit später hat uns das Dickicht so verschluckt, dass weder der Rastplatz noch das Auto zu sehen sind. Anatol und Mina sind nicht weit vor uns – wir hören ihr atemloses Flüstern.

Aber wo ist Pelle?

Wir stolpern weiter durch das Unterholz – und befinden uns endlich auf einer Lichtung. Mitten auf dem lichten Waldstück steht Pelle – die Nase flehmend im Wind. Er hebt die Tatze und ruft uns zu: „Ich kann die anderen Luchse wittern. Es ist nicht mehr weit bis nach Hause. Ich danke Euch, meine Freunde. Ich muss Euch nun verlassen. Lebet wohl!“

Ein letztes Mal winkt uns der Luchs zu. Dann dreht er sich um und verschwindet lautlos im Wald.

Ob wir ihn jemals wiedersehen werden?

Übermüdet, schweigsam und seltsam gedrückt kehren wir zum Rastplatz zurück. Elie verkriecht sich wortlos im Rucksack, Anatol und Mina kuscheln sich in das nun verlassene Luchsbettchen und schlafen ein.

Ich setze mich ans Steuer und fahre bis zum Gasthof Rabenklippe. Als dieser endlich öffnet, bestelle ich ein reichhaltiges Frühstück und einen starkem Kaffee.

Die Luchsfütterung verschlafe ich am Frühstückstisch.

Am frühen Nachmittag machen wir uns auf den Rückweg. Reden möchte zunächst niemand.

Mina spricht endlich das aus, was wir alle fühlen. „Ob Pelle seine Familie wiederfindet? Wird er dort glücklich werden?“

Wir wünschen es Pelle von ganzem Herzen.

 

Epilog:

Zwei Jahre später – es ist ein milder Sommerabend, wir sitzen auf dem schattigen Balkon und genießen die Abendluft – fliegt die Krähe der Tierklinik auf die Balkonbrüstung. Sie hält ein zusammengefaltetes Papier im Schnabel, spuckt es uns vor die Füße (die Krähe hat zuweilen ein etwas rudimentäres Benehmen) und schnarrt „Post von Pelle!“ – Mit einem „Und Tschüss!“ hebt sie ab und gleitet durch die Lüfte zurück in Richtung Hainberg.

Elie hebt das Papier auf und gibt es Anatol, der es auffaltet.

Das Blatt ist nicht beschrieben, aber seine Aussage ist klar. Fünf Pfotenabdrücke sind darauf zu sehen: der einer riesigen Pranke, die wir als Pelles erkennen. Daneben eine nur unwesentlich kleinere, aber zartere, feinere Tatze – und darunter drei winzige Pfötchen, die mit etlichen Kleksen und Verschmierungen garniert sind.

Pelle, da sind wir sicher, hat sein Glück gefunden.

 

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